Samstag, 18. Juni 2011

655321 Testet: Alice - Madness Returns!




Das Warten hat ein Ende


Im Oktober 2000 erblickte ein Spiel das Licht der Welt, das unter vielen Spielern ein Geheimtipp werden sollte. American McGees Alice war anders als andere Spiele. Gekonnt wurde die Geschichte um die berühmte Märchenfigur Alice umgekrempelt und zu einer bizarren Horrormär gewandelt. Das kleine Mädchen erlebte in einer traumatischen Nacht den Tod ihrer Eltern mit, die bei einem Hausbrand ums Leben kamen. Alice überlebte mit schweren Verbrennungen, jedoch litt ihre Psyche viel stärker unter diesem Vorfall als ihr Körper. Alice kommt ins Irrenhaus, da sie einer Leiche mehr ähnelt, als einer lebenden Person. In einem komatösen Zustand träumte sich Alice in ihr ver- und zerstörtes Wunderland, um am Ende ihr Trauma in Form der Herzkönigin zu besiegen und aufwachen zu können, auf dass sie das Irrenhaus „Rutledge“ für immer verlassen würde…


Madness Returns

11 Jahre sind seit dem vergangen, sowohl real als auch im Spiel. Noch immer besucht Alice regelmäßig einen Psychologen, da sie permanent wiederkehrende Visionen quälen. Erstmals spielt der Spieler die „reale“ Alice in London. Die Stadt selbst ist allerdings genauso heruntergekommen, wie das gesamte Alice-Szenario alles andere auch einzufangen versucht. So scheint jede „Dame“ Londons eine Prostituierte, eine böswillige alte Frau oder ein verstörtes Waisenkind zu sein. Die Männer Londons nehmen kein Blatt vor dem Mund und sagen Alice direkt, was sie gerne mit ihr tun möchten. McGee zeigt deutlich, dass Alice keine schöne Zeit hatte, selbst nachdem sie Rutledge verließ.
Bestimmte Personen, wie zum Beispiel eine alte Dame, die Alice irgendwann aus dem Irrenhaus holte (wohl durch das Plüschkaninchen, welches ihr am Anfang von Teil1 geschenkt wurde) oder der Erb-Anwalt von Alice lösen immer wieder Visionen aus, die Alice ins Wunderland ziehen. Bestimmte Figuren sind leider sehr unrealistisch dargeboten, was sich durch riesige Nasen und seltsame Staturen bemerkbar macht. Das ist allerdings eher der Ausnahmefall.
Anders als im Vorgänger hält sich Madness Returns kaum noch an seine Buchvorlage. Persönlichkeiten wie die berühmte Grinsekatze, der Hutmacher, der Siebenschläfer, der Märzhase, die Raupe und die Baronin tauchen zwar auf, die Domänen in denen sie sich befinden scheinen aber frei dazu gedichtet. Auch der „Handwerker“ und „der Puppenmacher“ sind völlig neu.


Das Gameplay

Da Madness Returns wie viele andere Spiele heutzutage auf mehreren Plattformen erschienen ist, gibt es selbstverständlich auch Änderungen im Gameplay. Kleine Dinge wie zum Beispiel das drehen der Kamera um Alice herum (statt Alice nur selbst drehen zu können wodurch man nie ihr Gesicht sehen kann) und ein Kampfsystem mit markierbaren Gegnern und Messercombos statt 1-Klick-Hack-System machen aus Madness Returns ein zeitgemäßes Action-Adventure. Das Spiel bleibt seinem Vorgänger aber auch in den Geschicklichkeitseinlagen treu, so wird weiterhin viel gesprungen. Apropos Springen: Alice hat dazugelernt: So hüpft sie jetzt in die Höhe, kann von dort aus zu einem zweiten kleinen Hüpfer ansetzen, aus dem heraus sie mit Hilfe ihres Kleides zu Boden gleiten kann. Wem der 2. Hüpfer nicht genügt, kann das Ganze noch 2 mal wiederholen, ganz recht, Alice kann 3 weitere Sätze in der Luft machen, aus denen sie jeweils in den Gleitvorgang übergehen kann. Leider hat sie dafür eine andere Fähigkeit verloren: Alice ist nicht mehr in der Lage, sich an Kanten festzuhalten bzw. an diesen zu hangeln. Schade eigentlich…
Eine weitere wichtige Neuerung ist das Schrumpfen auf Kommando, wodurch Alice kleine Passagen durchqueren kann, um zum Beispiel Fragmente ihrer Erinnerung einsammeln zu könne, welche überall im Wunderland verstreut zu finden sind. Im Schrumpfmodus kann Alice, ähnlich wie Altair und Ezio aus Assassin’s Creed, bestimmte Dinge sehen, die ihr sonst nicht auffallen würden. So sind die Wände mit hilfreichen Symbolen versehen und oft schweben auch unsichtbare Plattformen durchs Wunderland, die Alice nur im Schrumpfmodus sieht, den sie aber zum Betreten der Plattformen verlassen muss, da man als Winzling nicht die Möglichkeit hat, zu springen. Merken und abschätzen ist also gefragt.


Bang Bang

Selbstverständlich bringt Madness Returns neue „Spielzeuge“ mit sich, die allerdings sehr überschaubar ausfallen und nicht wie im Vorgänger durchscrollbar sind, sondern jeweils eine eigene Taste besitzen. Das Vorpal-Blade ist die einzige Waffe, die aus Alice1 bekannt ist. Dazu gesellen sich: Die Pfeffermühle (Eine Art schnell überhitzendes MG), die Hasenbombe (sprengt Wände und hat einen Fernzünder), das Steckenpferd (vergleichbar mit einem Kampfhammer, geeignet für gepanzerte Gegner), den Schirm (ein Schild) und die „Teekannone“, die einem Granatwerfer mit Flächenschaden entspricht. Da jede Waffe einer Taste zugeordnet ist, entfallen leider die aus Teil 1 bekannten Sekundärfähigkeiten. So ist es Alice also beispielsweise nicht mehr möglich, ihr Messer zu werfen (Die Teekannone lässt sich zwar aufladen, aber das lässt sich kaum als Sekundärfähigkeit bezeichnen).


Outfits? OUTFITS!

Jeder Abschnitt, in den Alice taucht, bringt sein eigenes Outfit mit sich, so verbleibt Alice anfangs nur kur in ihrem bekanntem Standardoutfit und wechselt schon im ersten Kapitel zum „Steam-Dress“, dass der Steampunkdomäne des Hutmachers sehr gerecht wird. Es folgen ein Sirenen-, ein Royal und ein Puppenkleid. Auch im realen London hat Alice eine andere Kluft an; ein ziemlich heruntergekommenes schwarzgraues Kleid, selbstverständlich mit schwarz-weißen Ringelkniestrümpfen. Wer den DLC sein eigen nennt, erhält 6 weitere Kleider und 4 extreme Waffen-Upgrades. Da mir aber nur die Standard-PC-Version vorliegt. Zähle ich mich leider nicht zu den Glücklichen, die z.B. im Grinse-Outfit (der Grinsekatze nachempfunden) durchs Wunderland pirschen können.


Der Einstieg


Atmosphärisch kann sich Madness Returns sehen lassen. Grafisch kann man bis auf wenige Texturen nicht meckern. Leider fällt der Einstieg ins Wunderland im Gegensatz zum Vorgänger sehr unspektakulär aus, selbstverständlich gibt es kein Irrenhaus und kein Delirium, aber etwas Besseres als Ich-sehe-eine-alte-Frau-die-mich-an-den-Jabberwocky-erinnert-und-falle-ins-Wunderland wäre schon drin gewesen, nicht? Das ist aber eine Ausnahme, da die späteren Visionen durchaus Sinn ergeben. Ist man erst mal im Wunderland, hat man diesen Zwischenfall ohnehin schnell wieder vergessen, da die anfängliche Schönheit umwerfend ist.


Das Wunderland

Die Umgebung selbst ist anfangs wunderschön, später wird alles immer makabrer und düsterer, durch die oben genannten Erinnerungsfragmente erfährt man subtil, dass sich das Wunderland Alices Unterbewusstsein anpasst, oft Erinnern Flammen an das tragische Schicksal der Eltern von Alice… Und anderer Personen. Die sehr langen Kapitel halten sich jeweils an ein bestimmtes Stigma. Anfangs ist das Wunderland wie man es sich vorstellt, hübsch, bunt, friedlich. Die Domäne des Hutmachers besteht aus extrem vielen Steampunk-Elementen, es folgt eine Unterwasserdomäne, Queensland, ein gigantisches Puppenhausareal und Später ein mysteriöser steinerner Zug, dem Alice das ganze Spiel über hinterherjagt.


Minispiele


Oh ja, auch die gibt es in Madness Returns, so steuert man ein Schiff unter Wasser ähnlich wie ein einem Sidescrollingshooter, rollt einen Puppenkopf in Pinballmanier über Rollbahnen oder durchschreitet 2-D Areale im japanischen Tuschefarbenstil. Abgesehen davon gibt es noch Survival-Kämpfe auf Zeit bzw. gegen eine feste Anzahl von Gegnern. Dadurch kann sich Alice zusätzliche Gesundheit verdienen.


Die Lokalisierung


Ich persönlich vermisse leider sehr die bekannten Stimmen aus Alice1, wobei selbstverständlich die Chancen gering standen, nach 11 Jahren dieselben Sprecher abermals zu bekommen. So spricht Alice mit einer fast schon jüngeren Stimme als noch vor 11 Jahren. Die Grinsekatze hat ebenfalls einen neuen Sprecher, der sich aber große Mühe gibt, den bösen unterschwelligen Ton des Originals zu rekonstruieren. Madness Returns ist aber ohnehin ein Spiel, welches man eher im Originalton spielen sollte, da sonst das London-Feeling verloren geht, auf das die englischen Sprecher größten Wert gelegt haben.


Die Zusammenfassung


Ich habe gewollt darauf verzichtet, den Plot um Alices neues Abenteuer zu sehr aufzugreifen. Madness Returns entfernt sich vom eigentlichen Buch und geht eher die Umstände rund um den tragischen Familienvorfall an, der Alices Eltern das Leben kostete. Ähnlich wie „The Path“ behandelt Madness Returns überraschenderweise auch Tabuthemen, an die sich (zu Recht) nur wenige Videospiele trauen. Da alles weitere aber ein zu großer Spoiler wäre, mache ich hier einen Cut und fasse noch einmal schnell Pros und Kontras zusammen:


TL;DR

Pro:
• Bekannte Gesichter tauchen wieder auf
• Alice im „realen“ London spielbar
• Die Musik betont die bedrückende Atmosphäre
• Diverse Outfits
• Schrumpfen auf Knopfdruck + erweiterte Sicht
• neues, ordentliches Kampfsystem
• Waffen lassen sich jeweils mehrmalig upgraden
• Quadra-Jumps
• Erlebnisse von Alice formen das Wunderland
• auch im Spiel sind 11 Jahre vergangen
• Minispiele

Kontra:
• anfangs unlogischer Einstieg ins Wunderland
• keine Sekundärfähigkeiten der Waffen
• ungewohnte deutsche Stimmen
• teils unglaubwürdige „reale“ Figuren
• kein Festhalten an Kanten möglich
• lediglich 5 Waffen + 1 Verteidigungsgegenstand
• Buchvorlage eher unbeachtet
• leider nur ein wirklicher Endgegner

Der Catscore von Alice - Madness Returns ist somit: